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Martin Boeker bündelt und vereinheitlicht medizinische Daten

Medizinische Daten zum Nutzen der Patienten zusammenführen: Das ist Ziel des Verbunds MIRACUM. Mit einer Fördersumme von 4,4 Millionen Euro ist Freiburg das zweitstärkste unter den elf beteiligten Universitätsklinika.

Im Interview mit Jürgen Schickinger erklärt Privatdozent Dr. Martin Boeker, Leiter der Arbeitsgruppe Medizinische Informatik an der Medizinischen Fakultät, welche Fortschritte MIRACUM (Medical Informatics in Research and Care in University Medicine) bezweckt.

Herr Boeker, warum müssen medizinische Daten überhaupt gebündelt werden?

Martin Boeker: Wir haben im Konsortium insgesamt mehr als elf Millionen Patientendaten. Sie sind meist nicht einheitlich und über mehrere Orte verstreut. Zwar befindet sich ein großer Teil bei uns im Rechenzentrum, etwa viele Diagnose- und Behandlungsdaten. Doch rundherum können an mehreren Stellen Rohdaten, Medikationsdaten und alle möglichen Befunde liegen wie etwa Röntgenbilder oder Computertomografien. Dazu kommen noch Daten aus der klinischen Forschung und der Grundlagenforschung. Viele dieser Datensätze haben unterschiedliche Formate, und sie arbeiten oft mit verschiedenen Begriffen. Einmal heißt es da beispielsweise „Blutzucker“ und woanders „Blutglucose“. Dabei ist in allen Fällen der gleiche Wert gemeint. Wir wollen alle diese Daten zusammenführen und so vereinheitlichen, dass die Formate, Begriffe und Maßeinheiten übereinstimmen.

Können Ärztinnen und Ärzte oder Forschende bereits auf die Daten zugreifen?

Meistens schon, aber nicht schnell genug und nicht immer zielgerichtet. Dabei hat Freiburg schon eine sehr gute elektronische Patientenakte in seinem Klinik-Informationssystem. Wir wollen unsere Datensätze aber noch stärker aneinander anpassen und übersichtlicher darstellen. Bei inhaltlichen Anfragen muss klar sein, was gefordert ist – welcher von den mehr als 100 verschiedenen Blutzuckerwerten, welcher Tumormarker, welcher Parameter? Die Antwort soll möglichst alle Datensätze umfassen, die den gefragten Wert enthalten.

Welche Vorteile haben die Patienten davon?

Das ist ein Schritt hin zur personalisierten Medizin – dahin, Patienten nach individuellen Kriterien optimal zu behandeln. Gezielte Anfragen liefern dann beispielsweise alle Patienten mit einem ganz bestimmten Tumor, die zusätzlich einen ganz bestimmten Tumormarker besitzen. Wir können schauen, auf welche Behandlung diese Untergruppe besonders gut anspricht. Für sie können wir konsequent Therapien verbessern und neue Ansätze entwickeln. Das wäre aber nicht nur für Krebskranke ein Fortschritt. Auch Patienten mit bedeutenden Volkskrankheiten wie etwa der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung COPD würden von einer genaueren Diagnostik und damit besseren Behandlung profitieren. Dazu kommt, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Patienten nach bestimmten Kriterien für klinische Studien rekrutieren könnten. Das kommt am Ende auch den Patienten zugute.


Die Medizininformatik wird im Zusammenhang mit elektronischen Patientenakten und im Hinblick auf eine personalisierte Medizin immer wichtiger, sagt Martin Boeker.
Foto: privat

Wer führt die Daten zusammen und vereinheitlicht sie? Computerprogramme oder Menschen?

Da müssen beide zusammenarbeiten. Viele medizinische Daten sind gar nicht kodiert, etwa solche, die nur in Arztbriefen und ähnlichen Texten stehen. Dafür arbeiten wir mit der Firma Averbis zusammen, einer Ausgründung aus der Universität Freiburg. Das Unternehmen verfügt über eine Spracherkennungstechnologie, die solche Daten aus Texten extrahieren kann. Diese Zusammenarbeit wird sich sogar zum nationalen Projekt entwickeln. Sehr gut strukturiert sind dagegen Laborbefunde. Sie bestehen aus Werten, die in Tabellen stehen, und lassen sich grundsätzlich gut mit Programmen zusammenfassen. Doch vorher müssen die Begriffe und Bezüge wie Testverfahren und Maßeinheiten standardisiert werden. Das müssen Menschen machen.

Für welche dieser Aufgaben ist speziell Freiburg zuständig?

Wir sollen die Sprachverarbeitungstechnologie so bereitstellen, dass alle Partner im Konsortium sie nutzen können. Weiter bauen wir eine besondere Schnittstelle zum Informationssystem des Klinikums auf. Sie soll dazu dienen, dass wir alle Patienten finden können, die beispielsweise einen bestimmten Tumor mit einem ganz speziellen Muster an Markern haben. An anderer Stelle wollen wir die Daten aus der genetischen Analyse von Gewebeproben in die Tumorboards bringen, in denen sich Ärzte aus verschiedenen Fachrichtungen über die besten Behandlungsmöglichkeiten austauschen. Für die Suche nach besonderen Untergruppen von Patienten mit bestimmten Eigenschaften entwickeln wir basierend auf maschinellem Lernen zudem lernfähige Computersysteme.

Wer darf dann auf die Daten zugreifen?

Wir haben im Konsortium und für unseren Standort ganz klare Richtlinien aufgestellt: Damit der Datenschutz garantiert ist, bleiben die Daten immer an ihrem ursprünglichen Standort. Wenn Anfragen von außen kommen, liefern wir nur die Auswertungen dazu – wenn alle Beteiligten einverstanden sind. Da gibt es keinen Automatismus. Jeder Schritt wird manuell geprüft.

Wie lange wird Freiburg brauchen, um die Pläne umzusetzen?

Ich glaube, wir können viele Punkte in den nächsten ein bis zwei Jahren schaffen, gerade was die Labor- und Medikationsdaten angeht. Wir haben ja bereits hervorragende elektronische Patientenakten. Allerdings werden einige Ziele erst mit Ablauf der vierjährigen Förderperiode zu erreichen sein. Das Problem besteht eher darin, dass es in Deutschland nicht so viele gute Medizininformatiker gibt, wie wir für die Umsetzung an allen Standorten benötigen. Da hat Deutschland viele Entwicklungen verpasst und auch Freiburg einige Kapazitäten weggespart. Dabei wird die Medizininformatik im Zusammenhang mit elektronischen Patientenakten und im Hinblick auf eine personalisierte Medizin immer wichtiger.


Martin Boekers Arbeitsgruppe an der Universität Freiburg
https://portal.uni-freiburg.de/imbi/team/persons-de/boeker-de

Medical Informatics in Research and Care in University Medicine – MIRACUM
www.miracum.de

Herr Boeker, warum müssen medizinische Daten überhaupt gebündelt werden?

Martin Boeker: Wir haben im Konsortium insgesamt mehr als elf Millionen Patientendaten. Sie sind meist nicht einheitlich und über mehrere Orte verstreut. Zwar befindet sich ein großer Teil bei uns im Rechenzentrum, etwa viele Diagnose- und Behandlungsdaten. Doch rundherum können an mehreren Stellen Rohdaten, Medikationsdaten und alle möglichen Befunde liegen wie etwa Röntgenbilder oder Computertomografien. Dazu kommen noch Daten aus der klinischen Forschung und der Grundlagenforschung. Viele dieser Datensätze haben unterschiedliche Formate, und sie arbeiten oft mit verschiedenen Begriffen. Einmal heißt es da beispielsweise „Blutzucker“ und woanders „Blutglucose“. Dabei ist in allen Fällen der gleiche Wert gemeint. Wir wollen alle diese Daten zusammenführen und so vereinheitlichen, dass die Formate, Begriffe und Maßeinheiten übereinstimmen.

Können Ärztinnen und Ärzte oder Forschende bereits auf die Daten zugreifen?

Meistens schon, aber nicht schnell genug und nicht immer zielgerichtet. Dabei hat Freiburg schon eine sehr gute elektronische Patientenakte in seinem Klinik-Informationssystem. Wir wollen unsere Datensätze aber noch stärker aneinander anpassen und übersichtlicher darstellen. Bei inhaltlichen Anfragen muss klar sein, was gefordert ist – welcher von den mehr als 100 verschiedenen Blutzuckerwerten, welcher Tumormarker, welcher Parameter? Die Antwort soll möglichst alle Datensätze umfassen, die den gefragten Wert enthalten.

Welche Vorteile haben die Patienten davon?

Das ist ein Schritt hin zur personalisierten Medizin – dahin, Patienten nach individuellen Kriterien optimal zu behandeln. Gezielte Anfragen liefern dann beispielsweise alle Patienten mit einem ganz bestimmten Tumor, die zusätzlich einen ganz bestimmten Tumormarker besitzen. Wir können schauen, auf welche Behandlung diese Untergruppe besonders gut anspricht. Für sie können wir konsequent Therapien verbessern und neue Ansätze entwickeln. Das wäre aber nicht nur für Krebskranke ein Fortschritt. Auch Patienten mit bedeutenden Volkskrankheiten wie etwa der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung COPD würden von einer genaueren Diagnostik und damit besseren Behandlung profitieren. Dazu kommt, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Patienten nach bestimmten Kriterien für klinische Studien rekrutieren könnten. Das kommt am Ende auch den Patienten zugute.


Die Medizininformatik wird im Zusammenhang mit elektronischen Patientenakten und im Hinblick auf eine personalisierte Medizin immer wichtiger, sagt Martin Boeker.
Foto: privat

Wer führt die Daten zusammen und vereinheitlicht sie? Computerprogramme oder Menschen?

Da müssen beide zusammenarbeiten. Viele medizinische Daten sind gar nicht kodiert, etwa solche, die nur in Arztbriefen und ähnlichen Texten stehen. Dafür arbeiten wir mit der Firma Averbis zusammen, einer Ausgründung aus der Universität Freiburg. Das Unternehmen verfügt über eine Spracherkennungstechnologie, die solche Daten aus Texten extrahieren kann. Diese Zusammenarbeit wird sich sogar zum nationalen Projekt entwickeln. Sehr gut strukturiert sind dagegen Laborbefunde. Sie bestehen aus Werten, die in Tabellen stehen, und lassen sich grundsätzlich gut mit Programmen zusammenfassen. Doch vorher müssen die Begriffe und Bezüge wie Testverfahren und Maßeinheiten standardisiert werden. Das müssen Menschen machen.

Für welche dieser Aufgaben ist speziell Freiburg zuständig?

Wir sollen die Sprachverarbeitungstechnologie so bereitstellen, dass alle Partner im Konsortium sie nutzen können. Weiter bauen wir eine besondere Schnittstelle zum Informationssystem des Klinikums auf. Sie soll dazu dienen, dass wir alle Patienten finden können, die beispielsweise einen bestimmten Tumor mit einem ganz speziellen Muster an Markern haben. An anderer Stelle wollen wir die Daten aus der genetischen Analyse von Gewebeproben in die Tumorboards bringen, in denen sich Ärzte aus verschiedenen Fachrichtungen über die besten Behandlungsmöglichkeiten austauschen. Für die Suche nach besonderen Untergruppen von Patienten mit bestimmten Eigenschaften entwickeln wir basierend auf maschinellem Lernen zudem lernfähige Computersysteme.

Wer darf dann auf die Daten zugreifen?

Wir haben im Konsortium und für unseren Standort ganz klare Richtlinien aufgestellt: Damit der Datenschutz garantiert ist, bleiben die Daten immer an ihrem ursprünglichen Standort. Wenn Anfragen von außen kommen, liefern wir nur die Auswertungen dazu – wenn alle Beteiligten einverstanden sind. Da gibt es keinen Automatismus. Jeder Schritt wird manuell geprüft.

Wie lange wird Freiburg brauchen, um die Pläne umzusetzen?

Ich glaube, wir können viele Punkte in den nächsten ein bis zwei Jahren schaffen, gerade was die Labor- und Medikationsdaten angeht. Wir haben ja bereits hervorragende elektronische Patientenakten. Allerdings werden einige Ziele erst mit Ablauf der vierjährigen Förderperiode zu erreichen sein. Das Problem besteht eher darin, dass es in Deutschland nicht so viele gute Medizininformatiker gibt, wie wir für die Umsetzung an allen Standorten benötigen. Da hat Deutschland viele Entwicklungen verpasst und auch Freiburg einige Kapazitäten weggespart. Dabei wird die Medizininformatik im Zusammenhang mit elektronischen Patientenakten und im Hinblick auf eine personalisierte Medizin immer wichtiger.


Martin Boekers Arbeitsgruppe an der Universität Freiburg
https://portal.uni-freiburg.de/imbi/team/persons-de/boeker-de

Medical Informatics in Research and Care in University Medicine – MIRACUM
www.miracum.de